Unangekündigte Wohnungsbesichtigung - Bundesfinanzhof weist Finanzamt in die Schranken
01.12.2022
Das "häusliche Arbeitszimmer" bekommt im deutschen Steuerrecht übertrieben viel Aufmerksamkeit. Auch kürzlich musste sich der Bundesfinanzhof (BFH) wieder einmal mit einem solchen befassen. Diesmal aber nicht wegen einer der vielen kleinteiligen Rechtsfragen, sondern zu den Befugnissen des Finanzamts - das wiederum ist spannend!
Aber von Anfang an: Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer können unter bestimmten Umständen steuerlich abgezogen werden. Eine wesentliche Voraussetzung ist dabei, dass im häuslichen Bereich ein Raum vorhanden ist, der wie ein typisches Büro eingerichtet und eine private Mitnutzung als Wohnraum so gut wie ausgeschlossen ist. Erfahrungsgemäß sorgt gerade dieser Punkt manchmal für Misstrauen, ist eine Prüfung doch kaum möglich. Praktisch bleibt dem Finanzamt der Grundriss, dem entnommen werden kann, ob der Raum abgegrenzt ist und daneben ausreichend privater Wohnraum verbleibt. Auch eingereichte Fotos können den Charakter eines Büros unterstreichen.
In einem Fall war das einem Sachbearbeiter zu wenig: Der Wohnungsgrundriss lies offenbar den Verdacht keimen, dass in der Wohnung gar kein Arbeitszimmer vorhanden war und nur das Schlafzimmer als solches deklariert wurde. Kurzerhand schaltete der Sachbearbeiter die Steuerfahndung ein, die zur unangekündigten Ortsbesichtigung beim Steuerpflichtigen auftauchte. Dieser widersprach der Besichtigung nicht; die Steuerfahndung stellte fest, dass ein Arbeitszimmer wie angegeben vorhanden war. Auf den ersten Blick hätte die Sache damit erledigt sein können.
Glücklicherweise besann sich der Steuerpflichtige aber auf die Rechtsstaatlichkeit und lies die unangekündigte Ortsbesichtigung durch den BFH prüfen. Dieser sah aufgrund des fehlenden Widerspruchs vor Ort zwar keinen schweren Grundrechtseingriff, bestätigte aber zumindest ein Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr (!). Er erklärte die unangekündigte Ortsbesichtigung für unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Es hätten zunächst schriftlich weitere Auskünfte angefordert werden müssen, bevor ein Mitarbeiter der Veranlagungsstelle (und nicht der Steuerfahndung) die Wohnung nach Ankündigung in Augenschein nehmen hätte können - zumal der Steuerpflichtige nicht erkennen hat lassen, sich einer Mitwirkung zu verwehren. Zu Recht störte sich der BFH besonders an der Steuerfahndung, da zufällige Beobachter den Eindruck hätten gewinnen können, dass strafrechtlich ermittelt wird.
Das Urteil und dessen Veröffentlichung durch den BFH selbst sind zu begrüßen. Eine grundsätzliche Kriminalisierung Steuerpflichtiger durch das Finanzamt darf in einem Rechtsstaat keinen Raum haben. Selbstverständlich dürfen und müssen die Finanzämter Sachverhalte prüfen. Die Verhältnismäßigkeit muss aber gewahrt bleiben!