Gute Nachricht für Privatanleger: BFH hält Verlustverrechnungsbeschränkungen bei Aktiengeschäften für verfassungswidrig
03.08.2021
Private Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen grundsätzlich der Abgeltungsteuer in Höhe von 25 %. Im Gegenzug dürfen etwaige Verluste nur mit anderen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen und nicht mit anderen Einkünften verrechnet werden. Für Verluste aus der Veräußerung von Aktien gilt eine noch stärkere Beschränkung. Diese dürfen nur mit Gewinnen, die aus der Veräußerung von Aktien entstehen, verrechnet werden. Fallen in einem Steuerjahr keine Gewinne aus Aktienverkäufen an, sind die Verluste in die folgenden Jahre vorzutragen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nun eine Klage vorgelegt, in der ein Anleger in einem Steuerjahr mit Aktienverkäufen nur Verluste erzielt hatte und diese aufgrund der gesetzlichen Regelung nicht mit anderen Kapitalerträgen verrechnen konnte. Nach Überzeugung des Senats verstößt die derzeitige Regelung gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Steuerpflichtige, die Verluste aus Aktienverkäufen erzielen, werden gegenüber Anlegern, die Verluste aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen, die keine Aktien sind, schlechter gestellt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede in deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit bestehen. Dem Gesetzgeber steht zwar mit Blick auf gesamtgesellschaftliche Forderungen Gestaltungsfreiheit zu, Kapitaleinkünfte abweichend von anderen Einkunftsarten zu besteuern. Er bleibt dabei jedoch verpflichtet, die Besteuerung innerhalb der Kapitaleinkünfte gleichheitsgerecht auszugestalten. Die Verlustausgleichsbeschränkung für Aktien weicht von dieser Maßgabe ab, indem sie vorhergehende Gewinne aus Aktienverkäufen uneingeschränkt besteuert, Veräußerungsverluste aus Aktien jedoch einer Verlustverrechnungsbeschränkung unterwirft.
Eine Rechtfertigung für diese Regelung ergibt sich weder aus der Gefahr der Entstehung von Steuermindereinnahmen noch aus dem Gesichtspunkt des Missbrauchs. Die diffuse Sorge des Fiskus, an vermeintlich spekulativen Anlageformen teilhaben zu müssen, sollte keine Grundlage für ein Gesetz sein.
Das Urteil des BVerfG bleibt mit Spannung abzuwarten. Entscheidet das oberste Gericht wie der BFH, wäre dies eine gute Nachricht für Aktionäre. Verluste aus Aktienverkäufen wären künftig beispielsweise mit Zins- oder Dividendenerträgen verrechenbar. Anleger können insoweit auf Steuererstattungen hoffen. Außerdem wäre es ein deutliches Signal an den Gesetzgeber, Steuergesetze möglichst systematisch zu gestalten und auf kaum sinnvoll begründbare Sonderregelungen zu verzichten.
Die Entscheidung könnte auch Folgen für eine weitere Verlustverrechnungsbeschränkung haben. So hat der Gesetzgeber letztes Jahr neu geregelt, dass z. B. Verluste aus dem Ausfall von Wertpapieren nur bis zu 20.000 EUR pro Jahr mit anderen Kapitalerträgen verrechenbar sind. Nicht ausgeglichene Verluste müssen vorgetragen werden. Diese Regelverschärfung wird ebenfalls stellenweise als verfassungswidrige Ungleichbehandlung kritisiert.