Finale ausländische Verluste und das Hoffen auf den EuGH: Was lange währt, wird trotzdem nicht gut.
16.06.2023
Die Frage, ob ausländische Verluste von deutschen Einkünften abgezogen werden dürfen, wenn entsprechende Gewinne in Deutschland steuerfreigestellt wären, ist fast so alt, wie die deutschen Ertragsteuern. Solange den ausländischen Verlusten zumindest potenzielle zukünftige Gewinne, mit denen theoretisch eine Verrechnung denkbar wäre, gegenüberstehen, besteht Konsens, dass aus der Gewinnfreistellung in Deutschland auch eine Verlustfreistellung resultieren muss. Was aber, wenn die ausländischen Verluste "final" werden, z. B. weil das ausländische Engagement beendet wird? Verluste gehen in diesem Fall endgültig steuerlich verloren, weil im Land der Entstehung eine steuerliche Nutzung mangels zukünftiger positiver Einkünfte ausscheidet. Deutschland versagt die Nutzung dagegen weiterhin mit Verweis auf die Freistellung.
Dieser offensichtlich fiskalisch geprägten Sichtweise ist mit nationaler Rechtsauslegung kaum beizukommen. Die ganze Hoffnung liegt daher schon seit vielen Jahren darauf, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Norm für europarechtswidrig erklärt, um zumindest im europäischen Kontext eine Lösung zu haben. Lange sah es auch ganz so aus, als wäre diese Hoffnung begründet. In zahlreichen Urteilen betreffend verschiedene Sachverhalte und unterschiedliche europäische Länder stellte sich der EuGH auf die Seite der Steuerpflichtigen. Da die Rechtsprechung des EuGH in ihrer Argumentation nicht immer einheitlich ist und in Einzelfällen eine Notwendig der Verrechnung finaler Verluste auch abgelehnt wurde, ist eine generelle Möglichkeit der Nutzung finaler Verluste bisher nie ins deutsche Recht aufgenommen worden.
Betroffenen Unternehmern blieb nur der Streit mit der Finanzverwaltung unter Verweis auf die EuGH-Urteile. Anfang diesen Jahres nun die große Enttäuschung: Der EuGH entschied, dass in Fällen, in denen die Freistellung auf einem Doppelbesteuerungsabkommen beruht - also der Mehrheit der denkbaren Konstellationen - die Versagung des Abzugs finaler ausländischer Verluste, zulässig sei. Die Thematik könnte damit nach Jahrzehnten vom Tisch sein, oder auch nicht… Vielleicht wird dem EuGH die Frage erneut vorgelegt, dann neu formuliert und mit anderem Ergebnis? So oder so, zufriedenstellend ist das nicht.