Arbeitszeiterfassung – sofortige Handlungspflicht für Arbeitgeber?
30.09.2020
In einem Urteil aus dem Jahr 2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt, dass die EU-Arbeitszeitrichtlinie im Licht von Art. 31 Abs. 2 der Grundrechtecharta auszulegen ist. Dort ist u. a. geregelt, dass jedem Arbeitnehmer ein Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit zusteht.
Was war passiert?
Geklagt hatte eine spanische Gewerkschaft gegen die Deutsche Bank in Spanien. Ähnlich dem deutschen Recht gibt es auch im spanischen Arbeitsrecht keine generelle Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung. Die spanische Gewerkschaft begründete ihre Klage mit Art. 31 Abs. 2 der Grundrechtecharta sowie der EU-Arbeitszeitrichtlinie dahingehend, dass eine Gewährleistung der Einhaltung der Höchstarbeitszeitgrenzen nur durch eine genaue Erfassung der täglichen Arbeitszeit möglich sei. Das sah auch der EuGH so.
Was bedeutet das für das deutsche Arbeitszeitrecht?
Bislang besteht in Deutschland keine generelle Verpflichtung zur Aufzeichnung der gesamten Arbeitszeit. Das Arbeitszeitgesetz regelt nur, dass in Bezug auf die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit des Arbeitnehmers eine Arbeitszeiterfassung zu erfolgen hat.
Müssen Arbeitgeber dennoch sofort handeln?
Grundsätzlich gilt, dass Richtlinien (vorliegend die EU-Arbeitszeitrichtlinie) nicht unmittelbar wirken, es folglich eines Umsetzungsaktes in Form einer entsprechenden Gesetzesänderung bedarf. Für einigen Wirbel sorgte in jüngster Vergangenheit jedoch ein Urteil des Arbeitsgerichts Emden. Gemäß diesem sind Arbeitgeber bereits jetzt zur Errichtung eines Zeiterfassungssystems verpflichtet, da die europäische Grundrechtecharta direkt auch im deutschen Recht Anwendung findet. Ob auch andere Arbeitsgerichte dem folgen, bleibt abzuwarten. Aus diesem Grund kann es für Arbeitgeber durchaus überlegenswert sein, bereits jetzt ein entsprechendes Zeiterfassungssystem zu implementieren.
Kann die Zeiterfassung für Arbeitgeber sinnvoll sein?
Insbesondere im Hinblick auf die derzeitige Corona-Pandemie ist die Frage der Zeiterfassung von besonderer Relevanz. Unternehmen mit Kurzarbeit müssen die Arbeitszeiten im Zweifel gegenüber der Arbeitsagentur nachweisen. Selbst im Hinblick auf die Arbeit vieler Mitarbeiter im Homeoffice empfiehlt es sich, die Arbeitszeiten genau zu dokumentieren – auch um Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz vorzubeugen. Schließlich können Risiken aus von Mitarbeitern behaupteten Überstundenzeiten, für die ein Gegenbeweis fehlt, reduziert werden.