Arbeitsrecht: Pflicht zur Arbeitszeiterfassung
Februar 2023
Welche Auswirkungen hat der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts?
Mit Beschluss vom 13. September 2022 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Arbeitgeber schon jetzt nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet sind, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales plant nun im Laufe des ersten Quartals 2023 die Ausarbeitung eines Vorschlags zur Anpassung des Arbeitszeitgesetzes.
Bis zum endgültigen Gesetzesentwurf lassen sich daher noch nicht alle Fragen abschließend klären. Folgende Leitplanken wurden durch das Bundesarbeitsgericht gesetzt, die bereits jetzt gelten. Nachfolgende häufig in diesem Zusammenhang auftretende Fragen lassen sich nach derzeitigem Kenntnisstand wie folgt beantworten:
Besteht eine Pflicht zur Einführung eines Zeiterfassungssystems?
Bisher war davon auszugehen, dass eine Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung nur in Ausnahmefällen, wie beispielsweise bei der Überschreitung der täglichen Höchstarbeitszeit von 8 Stunden nach dem Arbeitszeitgesetz, sowie für bestimmte Branchen gilt. Das BAG hat nunmehr klargestellt, dass Arbeitgeber aller Branchen ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung einzurichten haben. Begründet wird die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung mit § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG und nicht mit dem Arbeitszeitgesetz. Die Arbeitszeiterfassung ist somit Teil des Arbeitsschutzes mit der Folge, dass die Pflicht zur Einführung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung bereits jetzt besteht. Eine Übergangsfrist hierzu gibt es nicht.
Welchen Anforderungen muss das Zeiterfassungssystem genügen?
Diese Frage ist noch nicht abschließend geklärt. Dem Beschluss des BAG zu folge, kommen nur Zeiterfassungssysteme in Betracht, die den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Pausenzeiten und Überstunden erfassen, also aufzeichnen. Eine elektronische Zeiterfassung ist nach Ansicht der Erfurter Richter jedoch nicht zwingend erforderlich, sodass dem Arbeitgeber derzeit ein Gestaltungsspielraum verbleibt. Es bleibt abzuwarten wie sich der Gesetzgeber positioniert, ob es also künftig auch möglich sein wird, die Arbeitszeiten in Papierform zu erfassen.
Für wen gilt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung?
Grundsätzlich gilt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für alle Arbeitnehmer. Nicht eindeutig aus den Entscheidungsgründen geht hervor, ob die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung auch für leitende Angestellte gilt, welche vom Arbeitszeitgesetz ausgenommen sind. Hier muss der Gesetzgeber für Klarheit zu sorgen.
Vertrauensarbeitszeit auch weiterhin möglich?
Arbeitnehmer mit Vertrauensarbeitszeit können auch weiterhin frei über die Lage ihrer Arbeitszeit bestimmen. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt jedoch auch uneingeschränkt für Arbeitnehmer mit Vertrauensarbeitszeit.
Welche Rechte hat der Betriebsrat?
Durch den Beschluss des BAG steht nunmehr fest, dass der Betriebsrat nach derzeitiger Rechtslage die Einführung eines Zeiterfassungssystems nicht verlangen kann. Es besteht aber ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des Zeiterfassungssystems. Für Betriebe mit Betriebsrat bedeutet dies, dass eine einseitige Einführung oder Änderung von Zeiterfassungssystemen ohne Beteiligung des Betriebsrates nicht möglich ist. Der Betriebsrat entscheidet also nicht über das "ob" mit aber über das "wie".
Mit welchen Sanktionen müssen Arbeitgeber rechnen, die gegen die Verpflichtung zur Arbeitszeitverfassung verstoßen?
Das Bundesarbeitsgericht leitet die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG her. Verstöße gegen diese Norm sind nicht unmittelbar bußgeldbewehrt. Jedoch kann die zuständige Arbeitsschutzbehörde dem Arbeitgeber die Auflage zur Arbeitszeiterfassung erteilen. Kommt der Arbeitgeber dem dann nicht nach, hat die Arbeitsschutzbehörde die Möglichkeit, gegen den Arbeitgeber ein Bußgeld zu erheben. Auch hier bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber an dieser Stelle noch nachjustiert.